Hassrede und ihre Geschlechterdimension
Isabelle Sundermann
Von Jahr zu Jahr nimmt Hass im Internet in Form von Hasskommentaren und -nachrichten laut Umfragen der Landesanstalt für Medien NRW zu. Das vergangene Coronajahr fiel in dieser Hinsicht besonders übel aus. So gaben 76% der Befragten in der aktuellen Umfrage von 2021 an, Hass im Internet wahrgenommen zu haben. Ebenso zeichnete sich durch die Umfragen seit 2016 ab, dass in der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen Hass am häufigsten erlebt wird. Es sind also gerade die sozialen Netzwerke wie Instagram, Facebook und Co., die in den letzten Jahren immer häufiger als Forum für diskriminierende und herabwürdigende Anfeindungen oder Drohungen missbraucht werden. In der virtuellen Welt kann Hass auf verschiedene Art und Weise ausgedrückt werden, etwa durch abwertende, offensive Kommentare, private Nachrichten, Memes, Videos oder Bilder. All diese feindlich ausgerichteten Ausdrucksformen betitelt man heute verallgemeinert als sogenannte „Hate Speech“, zu Deutsch „Hassrede“.
Gegen wen richtet sich Hassrede? Gibt es Unterschiede?
Opfer von Hassrede kann grundsätzlich jeder werden. In aller Regel richtet sich die Hassrede aber gegen die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Personengruppe. Oftmals werden Menschen insbesondere aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuellen Orientierung oder Behinderung angegriffen. Daher besteht für bestimmte Personengruppen ein deutlich höheres Risiko, Hass im Internet zu erfahren als für andere. Aus diesem Grunde verfügt Hassrede auch über eine Geschlechterdimension: Durch sexistische Kommentare oder Darstellungen werden gerade Frauen häufig im Internet angegriffen, herabgewürdigt oder sogar bedroht. Andere geschlechtsspezifische Formen der Hassrede sind Vergewaltigungsdrohungen, Stalking, Nötigung, Mansplaining sowie Body oder Victim Shaming. Gerade Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, werden besonders häufig im Netz angefeindet. Dies ist verstärkt dann der Fall, wenn die Frauen aus dem Blickwinkel der Täter*innen von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Beispielsweise wenn sie sich politisch äußern oder engagieren, oder wenn sie Berufe ausüben, die als klassisch „männliche“ oder von Männern dominierte Berufe gesehen werden. So erhielten beispielsweise unter dem 2014 gestarteten sog. Gamergate-Hashtag, welches als Racheakt eines verlassenen Mannes gegenüber seiner Partner*in gestartet wurde, mehrere Frauen in der internationalen Computerspielindustrie Vergewaltigungs- und Todesdrohungen. Ein anderes aktuelles Beispiel für geschlechterspezifische Hassrede bei der für die Bundestagswahl 2021 angetretene Kanzlerschaftskandidatin Annalena Baerbock festzustellen. Angefangen mit ständigen Anspielungen auf die Vereinbarkeit ihrer Mutterrolle mit ihrem Beruf sowie sexualisierten Anspielungen auf ihr Aussehen bis hin zu gefälschten Nacktbildern – wie so oft ist die einzige weibliche Kandidatin deutlich mehr Anfeindungen ausgeliefert als ihre männlichen Kollegen, insbesondere und allein wegen ihres Geschlechts. Auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer wurde jüngst im Netz sexistisch angefeindet. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte vor wenigen Tagen den Täter zu einer Geldstrafe.
Darüber hinaus sind Frauen nicht nur stärker von Hassrede betroffen, die Folgen und Auswirkungen von Hassrede auf die Betroffenen sind ebenfalls stärker ausgeprägt als etwa bei Männern. So ergab eine Forsa-Studie von 2016, dass allen untersuchten Folgen von Hassrede wie Angst, emotionalem Stress, Depressionen, geringerem Selbstwertgefühl, Einschüchterung und Zurückhaltung bei öffentlichen Äußerungen politischer Meinung bei Frauen häufiger festzustellen seien als bei Männern. Beispielsweise gaben 51% der Frauen an, aufgrund der erfahrenen Hassrede Angst zu verspüren, währenddessen es bei den Männern nur 33% waren.
Wie in vielen anderen Bereichen mit einer Geschlechterdimension spielt auch bei Hassrede im Netz Intersektionalität eine wichtige Rolle: Liegen mehrere Motive des*der Täter*in vor, wie wenn etwa Rassismus oder Queerfeindlichkeit zur Frauenfeindlichkeit hinzutreten, erhöht sich das Risiko, Opfer von Hassrede zu werden. Es handelt sich dann um Mehrfachdiskriminierung (=Intersektionalität). Dies kann unterschiedliche Erfahrungen von Hassrede innerhalb der Gruppe der Frauen begründen. So läuft eine schwarze oder trans Frau wohl größere Gefahr, von Anfeindungen in Form von Hassrede betroffen zu sein als eine weiße cis Frau. Ebenfalls spielt das Alter eine Rolle: Laut einer Umfrage des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSDV) sind insbesondere trans und genderdiverse Jungendliche Hassrede ausgeliefert.
Ist Hassrede strafbar? Was kann ich gegen Hassrede tun?
Die Meinungsfreiheit endet dort, wo die Würde eines anderen Menschen verletzt wird. Der politisch geprägte Begriff der Hassrede kann daher im Einzelfall einen Straftatbestand erfüllen, wie etwa Beleidigung, Bedrohung, Nötigung oder Volksverhetzung. Die genaue Abgrenzung, ob eine Straftat vorliegt oder nicht, hat ein Gericht individuell festzustellen. Oftmals bleibt eine strafrechtliche Verfolgung der Hassrede aufgrund der Anonymität im Internet aber erfolglos. Aus diesem Grunde sind die Betreiber*innen der Social Media Plattformen inzwischen durch den EU- und deutschen Gesetzgeber dazu verpflichtet, Meldevorrichtungen für die Benutzer*innen einzurichten und gegen rechtswidrige Hasskommentare gezielt vorzugehen, etwa durch Löschen der Kommentare oder Sperren von Konten. Trotz dieser gesetzlichen Pflicht für die Betreiber ergab das Monitoring des Bundesfamilienministeriums und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aus dem Jahr 2018, dass insgesamt deutlich zu wenige und darüber hinaus auch zu langsam Hasskommentare von den Plattformen gelöscht werden. Daher wurden einige Initiativen gegründet, die gegen Hass im Internet gezielt vorgehen und Einzelpersonen in ihrem Kampf unterstützen, beispielsweise die staatlich geförderte Landesanstalt für Medien NRW oder die gemeinnützige Beratungsstelle HateAid. Wer Opfer von Hassrede im Netz wird, kann bei HateAid sowohl kostenlose Beratung als auch Finanzierungshilfen für ein gerichtliches Vorgehen gegen die Täter*innen erhalten. Kontakt kann mit den Beratern von HateAid ganz einfach über App, einem Kontaktformular oder per Telefon aufgenommen werden.
Ebenso wichtig wie das Nutzen der Meldefunktion und das rechtliche Vorgehen gegen Täter*innen ist auch als Nichtbetroffene*r den Opfern von Hassrede auf den sozialen Netzwerken solidarisch beiseitezustehen und Hasskommentare argumentativ zu entkräften und bewusst zu widersprechen. Diese Reaktionsmöglichkeit bezeichnet man als Counter Speech, zu deutsch Gegenrede. Die Unterstützung von anderen kann besonders für die Opfer von Hassrede eine wichtige emotionale Stütze bieten und darüber hinaus dafür sorgen, dass Hassrede sich weniger verbreiten kann.
Gegen wen richtet sich Hassrede? Gibt es Unterschiede?
Opfer von Hassrede kann grundsätzlich jeder werden. In aller Regel richtet sich die Hassrede aber gegen die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Personengruppe. Oftmals werden Menschen insbesondere aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuellen Orientierung oder Behinderung angegriffen. Daher besteht für bestimmte Personengruppen ein deutlich höheres Risiko, Hass im Internet zu erfahren als für andere. Aus diesem Grunde verfügt Hassrede auch über eine Geschlechterdimension: Durch sexistische Kommentare oder Darstellungen werden gerade Frauen häufig im Internet angegriffen, herabgewürdigt oder sogar bedroht. Andere geschlechtsspezifische Formen der Hassrede sind Vergewaltigungsdrohungen, Stalking, Nötigung, Mansplaining sowie Body oder Victim Shaming. Gerade Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, werden besonders häufig im Netz angefeindet. Dies ist verstärkt dann der Fall, wenn die Frauen aus dem Blickwinkel der Täter*innen von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Beispielsweise wenn sie sich politisch äußern oder engagieren, oder wenn sie Berufe ausüben, die als klassisch „männliche“ oder von Männern dominierte Berufe gesehen werden. So erhielten beispielsweise unter dem 2014 gestarteten sog. Gamergate-Hashtag, welches als Racheakt eines verlassenen Mannes gegenüber seiner Partner*in gestartet wurde, mehrere Frauen in der internationalen Computerspielindustrie Vergewaltigungs- und Todesdrohungen. Ein anderes aktuelles Beispiel für geschlechterspezifische Hassrede bei der für die Bundestagswahl 2021 angetretene Kanzlerschaftskandidatin Annalena Baerbock festzustellen. Angefangen mit ständigen Anspielungen auf die Vereinbarkeit ihrer Mutterrolle mit ihrem Beruf sowie sexualisierten Anspielungen auf ihr Aussehen bis hin zu gefälschten Nacktbildern – wie so oft ist die einzige weibliche Kandidatin deutlich mehr Anfeindungen ausgeliefert als ihre männlichen Kollegen, insbesondere und allein wegen ihres Geschlechts. Auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer wurde jüngst im Netz sexistisch angefeindet. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte vor wenigen Tagen den Täter zu einer Geldstrafe.
Darüber hinaus sind Frauen nicht nur stärker von Hassrede betroffen, die Folgen und Auswirkungen von Hassrede auf die Betroffenen sind ebenfalls stärker ausgeprägt als etwa bei Männern. So ergab eine Forsa-Studie von 2016, dass allen untersuchten Folgen von Hassrede wie Angst, emotionalem Stress, Depressionen, geringerem Selbstwertgefühl, Einschüchterung und Zurückhaltung bei öffentlichen Äußerungen politischer Meinung bei Frauen häufiger festzustellen seien als bei Männern. Beispielsweise gaben 51% der Frauen an, aufgrund der erfahrenen Hassrede Angst zu verspüren, währenddessen es bei den Männern nur 33% waren.
Wie in vielen anderen Bereichen mit einer Geschlechterdimension spielt auch bei Hassrede im Netz Intersektionalität eine wichtige Rolle: Liegen mehrere Motive des*der Täter*in vor, wie wenn etwa Rassismus oder Queerfeindlichkeit zur Frauenfeindlichkeit hinzutreten, erhöht sich das Risiko, Opfer von Hassrede zu werden. Es handelt sich dann um Mehrfachdiskriminierung (=Intersektionalität). Dies kann unterschiedliche Erfahrungen von Hassrede innerhalb der Gruppe der Frauen begründen. So läuft eine schwarze oder trans Frau wohl größere Gefahr, von Anfeindungen in Form von Hassrede betroffen zu sein als eine weiße cis Frau. Ebenfalls spielt das Alter eine Rolle: Laut einer Umfrage des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSDV) sind insbesondere trans und genderdiverse Jungendliche Hassrede ausgeliefert.
Ist Hassrede strafbar? Was kann ich gegen Hassrede tun?
Die Meinungsfreiheit endet dort, wo die Würde eines anderen Menschen verletzt wird. Der politisch geprägte Begriff der Hassrede kann daher im Einzelfall einen Straftatbestand erfüllen, wie etwa Beleidigung, Bedrohung, Nötigung oder Volksverhetzung. Die genaue Abgrenzung, ob eine Straftat vorliegt oder nicht, hat ein Gericht individuell festzustellen. Oftmals bleibt eine strafrechtliche Verfolgung der Hassrede aufgrund der Anonymität im Internet aber erfolglos. Aus diesem Grunde sind die Betreiber*innen der Social Media Plattformen inzwischen durch den EU- und deutschen Gesetzgeber dazu verpflichtet, Meldevorrichtungen für die Benutzer*innen einzurichten und gegen rechtswidrige Hasskommentare gezielt vorzugehen, etwa durch Löschen der Kommentare oder Sperren von Konten. Trotz dieser gesetzlichen Pflicht für die Betreiber ergab das Monitoring des Bundesfamilienministeriums und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aus dem Jahr 2018, dass insgesamt deutlich zu wenige und darüber hinaus auch zu langsam Hasskommentare von den Plattformen gelöscht werden. Daher wurden einige Initiativen gegründet, die gegen Hass im Internet gezielt vorgehen und Einzelpersonen in ihrem Kampf unterstützen, beispielsweise die staatlich geförderte Landesanstalt für Medien NRW oder die gemeinnützige Beratungsstelle HateAid. Wer Opfer von Hassrede im Netz wird, kann bei HateAid sowohl kostenlose Beratung als auch Finanzierungshilfen für ein gerichtliches Vorgehen gegen die Täter*innen erhalten. Kontakt kann mit den Beratern von HateAid ganz einfach über App, einem Kontaktformular oder per Telefon aufgenommen werden.
Ebenso wichtig wie das Nutzen der Meldefunktion und das rechtliche Vorgehen gegen Täter*innen ist auch als Nichtbetroffene*r den Opfern von Hassrede auf den sozialen Netzwerken solidarisch beiseitezustehen und Hasskommentare argumentativ zu entkräften und bewusst zu widersprechen. Diese Reaktionsmöglichkeit bezeichnet man als Counter Speech, zu deutsch Gegenrede. Die Unterstützung von anderen kann besonders für die Opfer von Hassrede eine wichtige emotionale Stütze bieten und darüber hinaus dafür sorgen, dass Hassrede sich weniger verbreiten kann.