Sexualisierte Schimpfwörter


Lisann Lechtermann
Eine Vielzahl der Beleidigungen, die wir und vor allem junge Leute im Alltag gebrauchen, beziehen sich auf degradierende Art und Weise auf die Sexualität der Frau. Die frauenfeindlichen Beschimpfungen entwürdigen entweder, dass die Frau gerne Sex hat, beziehen sich auf ihre Geschlechtsteile oder werten den Beruf der Sexarbeiterin ab.
Viele weitere Beschimpfungen oder Ausdrücke basieren auf dem passiv weiblichen Geschlecht beim Geschlechtsverkehr, beispielhaft hierfür ist „bumsen“, „ficken“, „vögeln“. Diese Formen der Beleidigungen finden sich in so gut wie jeder Sprache vor und sind nicht erst seit dem 21. Jahrhundert fester Bestandteil unserer Sprachen. Aber woher kommt das Ganze eigentlich? Woher nehmen wir diese Schimpfwörter?

Ein Blick in die Geschichtsbücher
Die Degradierung einer Frau auf Grundlage ihrer Sexualität ist ein Jahrhundert altes Phänomen. Unter anderem wegen stark konservativ religiöser Einflüsse und Überzeugungen definierte die Gesellschaft bereits im 16. Jahrhundert die Integrität und den Wert von Frauen auf der Basis ihres sexuellen Verhaltens. Beispielweise wurden Anklagen für Männer und Frauen in England in verschiedenen Räumlichkeiten abgehalten, denn bestimmte Verbrechen konnten nur geschlechtsspezifisch begangen werden. Anders als Männer mussten beispielsweise vorwiegend Frauen sich vor Gericht wegen Fällen von Verleumdung behaupten. Dabei erstreckte sich der Vorwurf gegenüber der angeklagten Frau darauf, dass sie den Geschlechtsverkehr mit unterschiedlichen Partnern vollziehe (sog. Promiskuität). So ist es wenig überraschend, dass die beliebtesten Beleidigungen für Frauen schon damals Begriffe waren, die andeuteten, eine Frau, die mehr als einen Geschlechtspartner hat, sei schmutzig und unrein oder sei Trägerin von Krankheiten. Das Wort „Hure“ war bereits fest in der Gesellschaft etabliert. Auch die Beleidigungen für Männer drehten sich deswegen auch schon damals vordergründig um die sexuelle Aktivität von Frauen, beispielsweise „whoremaster“. Spätestens damit stand fest: Das sexuelle Verhalten einer Frau dient als Urteilsgrundlage für ihre Wertigkeit als Mensch. 

500 Jahre später, was ist geblieben?
Zwar werden heutzutage deutsche Begriffe wie Fotze oder auch Anglizismen wie „Cunt“ und „Bitch“ auch geschlechtsneutral verwendet. Doch diese Beleidigungen haben gegenüber einem Mann eine andere Konnotation, da durch die Beleidigung nicht eine Eigenschaft oder ein Körperteil des Mannes selbst beleidigt wird, sondern die Beleidigung funktioniert allein durch den Vergleich zur unterdrückten Gruppe der Frauen.
Sexualisierte Beleidigungen auf das männliche Geschlecht bzw. Geschlechtsteil bezogen, gibt es daneben auch zum Beispiel „Schlappschwanz“ oder „Weichei“, doch unterstellen diese, anders als bei Frauen, gerade einen mangelnden sexuellen Drang - ein „Heteronomes zu wenig“. Andere Beleidigungen gegen Männer spielen auf ein vermeintlich weibliches Verhalten der Männer an. Weiblichkeit wird dadurch mit Schwäche gleichgesetzt, wie z.B. „du pussy“. Weitere Schimpfwörter wie „Cocksucker“ sind darüber hinaus hochgradig homophob.

Es liegt gewissermaßen in der unschönen Natur einer Beleidigung sein Opfer herabzuwürdigen. Warum ist es aber trotzdem wichtig, wie und womit wir beleidigen?
Von Männern wird erwartet, dass sie stark und aggressiv sind von Frauen, dass sie fügsam und respektvoll sind. Aus diesem Grunde ist die Sprache, die Männer und Frauen selbst verwenden oder die gegen sie verwendet wird, oft subtil voreingenommen, auch wenn wir dies nicht offen bemerken. Eine Beleidigung ist im Wesentlichen entweder eine offene oder aber eine verdeckte Sprache, die ihre Adressat*innen beschuldigt, sich nicht so zu verhalten, wie sie es aus Sicht der Beleidiger*innen sollten.
 
Den Fehlvorstellungen bewusst entgegentreten
Welche Auswirkungen hat dies auf die Gesellschaft? Das Erfolgsmittel, das einer jeden Beleidigung zugrunde liegt, ist ein Tabubruch bereits bestehender gesellschaftlicher Normen und Vorstellungen. Diese führen wiederum zu einer noch stärkeren Tabuisierung, Stigmatisierung und Marginalisierung. Sie bewirken letztlich, dass gewisse Gesellschaftsbilder und Vorurteile normalisiert und gefestigt werden. 
Die Verwendung solcher Schimpfwörter verstärkt also Rollenklischees und bekräftigt das Bild, dass es schlecht sei, dass Frauen über ihre Sexualität selbst bestimmen. Ein erster Ansatz wäre es also, solche Beleidigungen aus dem eigenen Sprachgebrauch heraus zu streichen.
Ein anderer bereits bestehender Ansatz ist, die ursprünglich zur Herabwürdigung intendierten Wörter aktiv für sich zu beanspruchen. Nachdem die männliche Rap- und Hip-Hop-Szene jahrelang sexualisierte Begriffe dazu nutzte, Frauen zu objektivieren und zu degradieren, bewies die Rapperin Cardi B mit ihrem Song „WAP“ im vergangenen Jahr erfolgreich, dass die Selbstbeanspruchung ein effektives Mittel ist, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen und diese zu entkräften. Das Wort „Schlampe“ wird schon seit 1997 von Frauen und nun eben immer mehr durch weibliche Rapperinnen für sich reklamiert. Es soll der Begriff für eine Person sein, die ihre Sexualität frei und stolz auslebt und Sex haben als etwas Gutes definiert.  


Anmerkung der Redaktion: Wir wollen anmerken, dass es auch eine riesen Problematik ist, wie viele Schimpfwörter sich auf Menschen mit Behinderung beziehen oder rassistisch sind. Wir haben beschlossen dieses Thema als eins von vielen wichtigen Themen zu behandeln, da unser Schwerpunkt auf Frauenrechten liegt.